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Medienkunst und Herbstlaub
Zur ewigen Wiederkehr der Ars

Oliver Marchart

Als mich letztes Jahr im Design Center ein befreundeter Journalist fragte, wie´s mir denn so gefällt und ob ich denn vorhätte, etwas über die Ars Electronica zu schreiben, antwortete ich ihm sinngemäß:
Wozu?, die Ars schreibt sich von selbst.



Tatsächlich kenne ich
kaum ein Festival, das sich zu einem dermaßen geschlossenen und autopoietischen gesellschaftlichen Teilsystem entwickelt hätte wie die Ars Electronica. Fast alle Besucher der Ars (insbesondere des Symposions) sind entweder selbst Teilnehmer oder Journalisten. Die Ars generiert nicht nur sich selbst, sondern auch gleich ihr Publikum.

Dabei läßt sie sich
von nichts und niemand stören. Die Ars "passiert" (inzwischen jeden September) - so sicher wie die Blätter im Herbst von den Bäumen fallen. Die Ars ist einem quasi-naturgesetzlichen Kreislauf der ewigen Wiederkehr des Gleichen eingeschrieben: Der ewigen Wiederkehr dergleichen Themen (in leicht variierenden Begriffen), dergleichen Theoretiker-Gesichter, der gleichen Medienkünstler-Gesichter, dergleichen Politiker-Gesichter. Die Ars "passiert" mit derselben Unaufhaltsamkeit wie die Jahreszeiten wechseln.

Daher ist es sinnlos,
sich ihr in den Weg zu werfen (und sei es nur "journalistisch"). Es ist, und das sagte ich meinem Bekannten letztes Jahr, sogar sinnlos, die Ars kritisieren zu wollen (und wie könnte ein Bericht von der Ars etwas anderes sein als eine Kritik der Ars, die mein Bekannter dann, trotz meiner Warnungen, geschrieben hatte. Sein Text wurde zum weiteren, zum tausendsten Beweis, daß sich nichts Sinnvolles über die Ars sagen läßt). Wie bei jedem autopoietischen System arbeitet die Kritik selbst schon am Fortbestand der Ars mit. Ja sie hat bereits einen Platz im Programm (was spätestens die Aff-Electronica 96 bewiesen hat).

Andererseits ist -
in Ermangelung eines außenliegenden Punkts der Kritik - die fröhlich-nihilistische Überaffirmation der ewigen Wiederkehr der Ars auch keine Option mehr, zumindest nicht seit dem Ende der 80er und der Baudrillard-Mode (Baudrillard war ja der theoretische Übervater der tragisch-kritischen Überaffirmation des Bestehenden). Auch die uneingeschränkte und hemmungslose Affirmation der Ars irritiert diese nicht. Und schließlich ist es sogar hoffnungslos, die Ars zu verarschen. Niemanden juckt´s, denn alle wissen bereits, daß die Ars eine hochgradig lächerliche Veranstaltung ist. Und gerade weil (und nicht obwohl) es alle wissen, funktioniert sie. (Aber vielleicht stimmt auch das nicht, und die Ars ist gar nicht lächerlich, jedenfalls nicht lächerlicher als die Jahreszeiten). Und die Ars "passiert" weiter. Und weiter.

Und weiter.
Der Bitte CraNmas, in einem kurzen Text "die sinnhaftigkeit des festivals zu hinterfragen", kann ich deshalb kaum nachkommen. Die Ars ist jenseits der Unterscheidung von sinnvoll und sinnlos, weshalb es es auch nichts zu hinterfragen gibt. Denn daß die Ars keinen höheren Sinn hat, muß selbst jenen klar sein, die sie "machen" . Die Ars ist nicht "sinnvoll" - sie ist auch nicht "sinnlos" -, denn kein Naturgesetz ist "sinnvoll" (oder "sinnlos"). Der Begriff "Sinn" ist hier einfach nicht angebracht. Sowenig wie der Ablauf der Jahreszeiten "sinnvoll" genannt werden kann, kann die Wiederkehr der Ars jedes Jahr im September "sinnvoll" genannt werden. Wie die Natur, die sie so gerne zu ihrem Symposienthema macht, ist die Ars jenseits von Sinn und Unsinn. Sie passiert.