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textsampling
Sollte ein Thema gewählt werden, das gar keines ist?
Armin Medosch

Damit man einfach wieder, wie jedes Jahr, ein Festival machen kann, bei dem sich die "Community" oder der internationale elektronische Reisekader, wie T.Baumgärtel sagen würde, trifft? Die konkrete Programmplanung gibt einigen Anlaß zu dieser Vermutung.




Weder die zugrunde liegenden Technologien,
noch die großen Metaphern können heute den Kleister liefern, der ein Festival zusammenhält und nicht nur ein geschäftiges, sondern auch ein inhaltliches Summen erzeugt. Ebenso wie sich die Medien diversifizieren, tun es auch die Szenen, die sie benutzen. Wer sich hauptsächlich mit Email- und News-Client im Netz bewegt, wird wenig Interesse an VRML-Kunst im WWW haben und umgekehrt. Andauernd gibt es neue Mailinglists, neue Radiostationen im Netz, neue Avatar-Brütststationen für 3D Welten. Innerhalb der Szenen, die diese Technologien benutzen, gibt es weitere Ausdifferenzierungen. Die einen stehen mehr auf puristische Kunst, die anderen suchen das Crossover mit Design-, Geek- oder Popkultur, manche organisieren sich in lokalen Gruppen, andere diskutieren lieber global, usw.

Innerhalb dieser Szenen
gibt es sehr wohl ein lebhaftes Interesse an Austausch, Zusammenarbeit und Diskussion. So wäre es vielleicht zeitgemäßer, anstatt eines Festivals für Medienkunst wesentlich differenziertere Festivals zu veranstalten: Festivals für Mailinglists, Grrl Power Festivals, Künstler programmieren Browser Festivals, usw. Die Intensität des Austauschs, das "Brummen", würde dem der Super 8 Szene bei solchen Events sicher nicht nachstehen.

Und Events,
die in diese Richtung gehen, gibt es ja. Sie finden allerdings nicht bei den altbekannten Festivals statt, die nur mehr einen überkommenen Begriff von Medienkunst perpetuieren, sondern organisieren sich selbst, meist mit kleinen oder keinen Budgets, in einer spontanen ad-hoc-Strategie (ganz nach dem Vorbild des ad-hocism der Großen wie IWF oder WTO in der Wirtschaft).

Niemand interessiert sich heute
mehr für "das Netz" im allgemeinen (außer der Telekom) oder "die Medien" (außer Medientheoretikern der Kittler Schule). Die Festivals müssen dieser Entwicklung Rechnung tragen, ansonsten werden sie wohl bald Geschichte sein, ebenso wie die großen Namen, welche sie in den Medienmuseen und Prunkpublikationen repräsentieren.

Aber schön wird es trotzdem sein,
diese Woche in Linz. Denn die Parties in der Stadtwerkstatt sind legendär und der Mühlviertler Most (eine Art Apfelwein) ist sehr empfehlenswert, insbesondere weil dann die Reflexe des Fleisches auf das Techno-Bombardement unkritisch genossen werden können.



this is textsampling - authorized by the author armin medosch out of "telediagnose - London, Montag 8.9.1997, 16.45 Uhr" und "Von heißer Luft und Entropie", European Media Art Festival, Osnabrück 1998