Posted by Stefan Beck on June 10, 1997 at 09:45:45:
Daß die diesjährige Nachttanz-Demo ein unrühmliches Ende
gefunden hat, dürfte hinlänglich bekannt sein. Selbst die Frankfurter
Rundschau fand den nächtlichen Polizeieinsatz so interessant, daß
sie ihn auf Seite 1 ihrer überregionalen Ausgabe erwähnte.
Was alles in dieser Nacht genau passiert ist, wird sich wohl erst im
Laufe der Zeit herausstellen. Eine Dokumentationsgruppe ist bereits im Einsatz,
die das zum Glück reichliche Video- und Fotomaterial, sowie Zeugenberichte
sammeln wird.
Schwierige dürfte die Frage zu beantworten sein, warum eigentlich
die Polizei so eingegriffen hat. Mag zwar der Jurist meinen, der Knüppeleinsatz
vor dem Hauptbahnhof sei noch das zarteste Mittel, das den Bullen zur Verfügung
stand; die, die den Kopf hinhalten mußten sehen es auf jeden Fall
anders. Der insgesamt friedliche Eindruck der Versammlung rechtfertigte
meiner Meinung noch nicht einmal den Einsatz von Knüppeln, geschweige
denn von Tränengas. An der Konstablerwache hat ein Bulle schließlich
seine Dienstwaffe gezogen!
Die beiden vorherigen Demos kamen für die Stadt absolut überraschend
und konnten von der hiesigen Polizei nicht mehr abgebrochen werden. Für
einige Nachtstunden hatten sich ein paar hundert Partygänger das Recht
auf die Straße und das Recht entsprechenden Lärm zu machen, zurückerobert.
Für eine CDU-regierte Stadt muß das in jedem Fall eine Niederlage
bedeuten (mag die Junge Union noch so sehr für die Verlängerung
der Sperrstunde eintreten...). Wäre auch diese Demo wieder geduldet
worden, so wäre mit großer Sicherheit dadurch ein Präzedenzfall
eingetreten, der es ihnen in den kommenden Jahren sehr erschwert hätte
solche Veranstaltungen zu verbieten. Vor dem, aus der Sicht der Stadt, subversiven
Hintergrund der Veranstaltung (Ruhestörung!) erscheint es daher "verständlich"
wenn, so hart als möglich eingegriffen wurde, um allen Partynasen,
die Lust auf weitere Veranstaltungen zu vermiesen.
Eine weiter Quelle besagt, daß CDU Stadtrat Udo Corts, zuständig
für Sicherheit und Ordnung, in seinen Ambitionen Vorsitzender der CDU
Frankfurt zu werden, seiner Gegenkandidatin Erika Steinbach von äußerst
rechten Parteiflügel, beweisen mußte, daß er in der Lage
ist ebenso hart einzugreifen, wie sie sich das immer wünscht. Steinbach
hat sich im Vorfeld der Wahlen bei Corts darüber beschwert, daß
sein Polizei zu lasch gegen Ausländer vorginge! Die Party paßte
zwar nicht ganz in dieses Schema, kam aber vielleicht zur rechten Zeit,
zumal das >Sicherheitsklima< in der Stadt durch die gleichzeitig stattfindende
Innenstadtaktion aufgeheizt war.
Welche Deutung auch richtig sein mag, es hat sich gezeigt, daß
solche Veranstaltungen in Zukunft nicht ohne erhebliches Risiko für
alle Beteiligten durchgeführt werde können. Das muß nicht
ihr Ende bedeuten, zumal niemand, der am Donnerstag dabei war, von sich
aus aufgeben mag. Die restriktive und reaktionäre Haltung der Stadt
hat wieder offen gezeigt. Gewalt gegen Kulturschaffende steht weiter auf
der Tagesordnung und wird auch entsprechend offensiv vertreten.
Traurig dabei, daß die Frankfurter Kunstszene im ganzen recht dünn
vertreten war.